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Artikel aus  NZZ vom 25. März 2003

Ölbrände als Kriegswaffe Saddams

Langfristige Folgen der Zerstörungen in Kuwaits Ölfeldern

Bereits in den ersten Kriegstagen ist gemeldet worden, Amerikaner hätten Sprengstoffladungen bei den Ölquellen im Süden des Iraks entdeckt. Brennende Ölfelder und -gräben hatte Saddam Hussein auch im ersten Golfkrieg als Waffe eingesetzt. Die schlimmsten Schäden verursachten aber die grossen Ölseen in Kuwaits Wüste.

bt. Die Truppen Saddam Husseins sollen seit Kriegsbeginn im Süden des Iraks verschiedene Ölquellen in Brand gesetzt haben, und auch von mit Öl gefüllten Kanälen, die bei Bagdad brennen sollen, wird in den Medien berichtet. In den letzten Tagen gab es zudem Meldungen, wonach die amerikanischen Truppen in von ihnen gesicherten Ölfeldern Vorkehrungen der Iraker gefunden hatten, die diesen erlaubt hätten, die Quellen anzuzünden. Dies würde geheimdienstliche Warnungen der letzten Monate bestätigen. Das eigentliche Schreckensszenario jedoch, dass viele Hunderte von Ölquellen in Flammen stehen, scheint zumindest bis anhin nicht Wirklichkeit geworden zu sein. Während im Süden nach dem Vorrücken der amerikanischen und britischen Truppen vermutlich nicht mehr mit solch einem Flammeninferno zu rechnen ist, kann aber noch nicht ausgeschlossen werden, dass die Ölfelder im Nordosten des Landes - etwa ein Drittel der Quellen des Iraks - im Laufe des Krieges angezündet werden.

Bagdads Taktik der verbrannten Erde

Dass Terror mit brennenden Ölquellen zum Kriegsarsenal Saddams gehört, hatte dieser bereits im ersten Golfkrieg bewiesen. Schon im Dezember 1990, im Vorfeld der militärischen Konfrontation mit den Streitkräften der Alliierten, hatten seine Soldaten Sprengladungen an gewissen Quellen im von ihnen besetzten Kuwait placiert und die Wirkung der Detonationen geprüft. Mit Beginn der Luftschläge am 16. Januar 1991 begann dann die eigentliche Zerstörung, und Ende Februar brannten mehr als 600 Ölquellen, bei anderen floss das Öl ungehindert in die Umgebung und bildete eigentliche Seen in der Wüste - weit über 200 an der Zahl (die Angaben variieren) mit einer Fläche von insgesamt etwa 50 Quadratkilometern.

Über drei Viertel der etwa 1000 Ölquellen Kuwaits wurden von den Irakern auf diese Weise zerstört. Zudem pumpten diese etwa 10 Millionen Barrel Öl absichtlich in den Golf, ein Vielfaches der Menge, die bei der Havarie der "Exxon Valdez" ins Meer gelangt war. Es bildete sich ein viele Tausende Quadratkilometer grosser Ölteppich. Laut Angaben der US Air Force gerieten zusätzlich aber auch Quellen durch Bomben der Alliierten in Brand, und auch Öl-Verteilstationen wurden so zerstört.

Nachdem die Kämpfe Ende Februar beendet worden waren, reisten sofort die ersten Spezialisten zur Löschung von Ölbränden nach Kuwait, unter ihnen der legendäre Texaner Paul N. "Red" Adair. Feuer in allen Himmelsrichtungen, dichter Rauch in einer Landschaft ohne erkennbare Silhouetten machten die Orientierung schwer. Zudem gab es überall Minen. Die Hauptprobleme jedoch bestanden darin, dass sowohl Wasser als auch die notwendigen Maschinen zum Löschen der Feuer - Krane, Bagger, Bulldozer für den Strassenbau und Spezialausrüstung - fehlten. Alles musste hergebracht oder am Ort bereitgestellt werden. So beschreibt Adair, der inzwischen bald 88-jährige Pionier unter den Feuerlöschern, auf seiner Homepage die Situation damals in Kuwait. Selber werde er diesmal aber nicht mehr in den Irak reisen, gab er einem Journalisten kürzlich zu Protokoll.

Insgesamt gibt es weltweit nur wenige Firmen, die eine solche Aufgabe bewältigen können, und das Löschen und Neufassen einer Quelle kann Tage bis Wochen dauern. Gefährlich dabei ist laut den Spezialisten weniger das brennende Öl - zum Teil lässt man die Quellen bei der Arbeit gar brennen, weil dadurch die Explosionsgefahr besser im Griff ist - , schwieriger sind die Entfernung der dicken Schicht von Ölrückständen über und um die Bohrung, die Reparatur des Bohrlochs und das Anbringen der neuen Quellfassung, besonders wenn das Öl oder Gas mit grossem Druck an die Oberfläche zischt, wie das im Irak noch häufiger als in Kuwait der Fall sein soll.

Besondere Probleme stellen sich zudem in jenen Ölfeldern, wo tödliche Konzentrationen des hochgiftigen Schwefelwasserstoffs entweichen und deshalb mit Schutzanzügen gearbeitet werden muss. Solche Felder brannten im Süden Kuwaits, und viele Quellen im Nordosten des Iraks gehören zu dieser Kategorie. Während man im Frühjahr 1991 noch mit einer Löschzeit von zwei oder mehr Jahren gerechnet hatte, konnte jedoch bereits im November 1991 die letzte brennende Ölquelle in Kuwait gelöscht werden. Die Wiederherstellung der Infrastruktur für die Ölförderung soll laut amerikanischen Angaben über 20 Milliarden Dollar gekostet haben.

Schäden für Gesundheit und Umwelt

Die schlimmsten Auswirkungen, so zeigt sich im Nachhinein, dürften - nicht zuletzt auch dank günstigen Winden - aber nicht die Brände gezeitigt haben. Zwar setzten sie riesige Mengen von giftigen Substanzen wie Schwefeldioxid, Stickoxide, Kohlenwasserstoffe, Metalle und Partikel in die Atmosphäre frei. Und zeitweise war der Rauch am Boden so dicht, dass "der helle Tag zur Nacht wurde . . . und die Scheinwerfer die Luft nur drei bis viereinhalb Meter durchdringen konnten", wie ein Soldat in einer Studie des amerikanischen Verteidigungsministeriums zu den Auswirkungen des Golfkriegs auf die Veteranen zitiert wird.

Die zum Teil hohen Schadstoffwerte als Folge der Brände haben laut einer Studie einer ägyptischen Wissenschafterin in Kuwait zwar zu mehr Arztbesuchen wegen Irritationen der oberen Atemwege geführt, ein Anstieg akuter Infektionen der Atemwege oder von Asthma konnte sie dagegen nicht registrieren. Und ob es zusätzliche Todesfälle als Folge des Rauchs gegeben hat, liess sich in verschiedenen internationalen Expertisen, so auch in einer des Grünen Kreuzes von 1998, für die verschiedene Statistiken beigezogen worden waren, auf Grund mangelnder Vergleichsdaten nicht eruieren.

In einer Arbeit des Pentagons aus dem Jahr 2002, in der im Rahmen von Abklärungen zum nach wie vor nicht schlüssig geklärten Golfkriegssyndrom die Belastung der Soldaten durch den Rauch untersucht wurde, stellten die Autoren fest, dass die Schadstoffwerte in der Luft in der Regel - mit Ausnahme des Feinstaubs - unter den in den USA für Umgebungsluft oder am Arbeitsplatz geltenden Grenzwerten gelegen habe. Der für Feinstaub erhobene PM10-Wert dagegen stieg im Maximum zwar bis über das Siebenfache der in den USA für Umgebungsluft akzeptierten 150 Mikrogramm pro Kubikmeter - eine Analyse zeigte jedoch, dass im Durchschnitt etwa drei Viertel des Feinstaubes vom Wüstensand stammte. Wegen der Wüstenwinde liegt der PM10-Wert in Kuwait denn auch bei normalen Verhältnissen im Bereich des Vierfachen des amerikanischen Umgebungsgrenzwertes. Ob die Brände zu einer langfristig erhöhten Sterblichkeit der Betroffenen führten, wird sich laut verschiedenen Fachautoren daher erst nach vielen Jahren beurteilen lassen.

Eine grosse Anzahl von Todesopfern war nach einer Auflistung in der Untersuchung des Grünen Kreuzes dagegen durch die während des ersten Golfkriegs stark reduzierte medizinische Betreuung der Bevölkerung wegen fehlenden Personals bedingt. Und eine grosse Gefahr stellten die nicht entschärften Minen dar.

Eingetrocknete Ölseen

Langfristig grössere Probleme als die brennenden Ölquellen scheinen die Seen hinterlassen zu haben, die sich durch das Ausfliessen des Öls gebildet hatten. In der erwähnten Untersuchung des ersten Golfkriegs, die vom Grünen Kreuz Ende 1998 fertiggestellt wurde, heisst es klipp und klar: Sieben Jahre nach einer der grössten Ölverschmutzungen in der Geschichte der Menschheit sei klar, dass der grösste Schaden auf den Böden entstanden sei. Riesige Gebiete Kuwaits seien verschmutzt. Besonders schlimm sei die Situation in den Gebieten der Ölseen. Während weniger stark mit Ölablagerungen belastete Gebiete Zeichen der Erholung zeigten, werde die Situation bei den Seen, bei denen das Öl immer tiefer in den Boden dringe, ständig schlimmer. 40 Prozent der ohnehin knappen Trinkwasserreserven Kuwaits seien nicht mehr geniessbar. Andere unterirdische wasserführende Schichten würden durch den 120 Kilometer langen Ölgraben gefährdet, den die Iraker entlang der saudischen Grenze ausgehoben hatten. Heute, gut vier Jahre später, sind nach kuwaitischen Angaben zwar die meisten Ölseen ausgetrocknet. Der Wind, so wird befürchtet, könnte die Partikel von eingetrocknetem Ölschlamm jedoch weit verteilen, zu gesundheitlichen Problemen führen und die Umwelt weiträumig verschmutzen, besonders da die fragile Oberfläche der Wüste durch die vielen schweren Fahrzeuge vielerorts ohnehin verletzt ist.

Im Gegensatz zum Land scheint die Meereswelt weniger Schaden genommen zu haben. Zwar waren sieben Jahre nach dem Einleiten des Öls laut dem Grünen Kreuz in manchen Bereichen der Küste noch Spuren von Öl zu finden. Aber die natürlichen Prozesse haben hier zu einer erheblichen Erholung geführt. Durchschnittlich sei damit zu rechnen, dass 15 Jahre nach einer Ölverschmutzung das natürliche Gleichgewicht, wenn auch nicht ganz in der ursprünglichen Art, wieder hergestellt sei. Auch die Korallen im Golf sind offenbar weniger geschädigt als befürchtet. Für sie scheint die Umweltveränderung nicht grösser als die üblichen Schwankungen gewesen zu sein.
Neue Zürcher Zeitung, Ressort Ausland, 25. März 2003, Nr.70, Seite 5
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